Unser Charisma – mein Charisma
Franziskanerin von der Unbefleckten Empfängnis werden ist eine Antwort auf den Ruf zum Ordensleben, der als unverdientes Geschenk von Gott kommt. Es bedeutet, sich von Christus ergreifen lassen und in seiner Nachfolge leben.
Spuren der Mutter Gründerin
Ein Jubiläum soll dazu da sein, Rückschau zu halten, Bilanz zu ziehen, den Weg in die Zukunft gestärkt zu beginnen. Bei den Provinzkapiteln ist dies gemeinsam und intensiv geschehen. Es liegt nun an jeder Einzelnen von uns, das heißt an mir ganz persönlich, die Einsichten in die Wirklichkeit meines Lebens zu bringen. Darüber zu reflektieren, ist immer unsere Aufgabe und dazu werden verschiedenste Methoden angewendet. Eine für ältere Personen ertragreiche heißt Biografiearbeit. Auf der Grundlage der Logotherapie von Viktor Frankl hat Elisabeth Lukas ein Schema zur Autobiografie entwickelt, welches als Abschluss folgende Frage enthält:
Welche Spuren möchte ich durch mein Leben hinterlassen?
Diese Frage macht mich betroffen und gibt mir einen kräftigen Anstoß, mich ihr bald zu stellen. Im Moment gehe ich von einer anderen Anregung durch eine Mitschwester aus und suche nach Spuren, welche Mutter Franziska in ihrer Gemeinschaft hinterlassen hat. Auch darüber ist schon viel und gemeinsam gedacht worden. Das hat seinen Niederschlag unter anderem auch in den Konstitutionen gefunden. Ich hebe aus meiner persönlichen Sicht nun etwas heraus, was ich mit meiner Berufung konfrontiere.
Der erste Schlüsselbegriff lautet: ganz. „Wir sind von dem einen Geiste beseelt und von dem einen Verlangen durchdrungen, aus Liebe zu Gott g a n z der Jugendbildung zu leben.“ Das gilt in jeder Lebenssituation. Was es für Erziehung und Bildung heißt, hat Mutter Franziska im Gründungsbrief so schön herausgearbeitet. Mit allem, was ich bin und habe, stehe ich an jedem Ort, zu jeder Zeit, mit meinen Gegebenheiten vor Gott.
Ist dieser Anspruch nicht zu groß für die Wirklichkeit meines Alltags? Wenn es nur an mir allein liegt, dann ist es unmöglich das zu leben. Aber Mutter Franziska zeigt auf, wie Anspruch und Wirklichkeit zusammenkommen: „Unsere Nichtswürdigkeit hält Gott nicht ab, uns als seine Werkzeuge zu gebrauchen.“ In großem Respekt, in Dankbarkeit und Anerkennung finde ich zahlreiche Spuren der Ganzhingabe an Gott im Leben unserer Schwestern.
Sr. Anna Rautar
Sr. Anna Rautar hat sich Gedanken zu folgender Frage gemacht: Wie lebe ich unser Charisma konkret und wie prägt es mein persönliches Leben?
Die zweite Spur ist in der ersten schon enthalten und lautet: vereint, miteinander. Es ist uns recht gut vertraut, „dass vereinte Kräfte Größeres vermögen, besonders wenn sie in Gott geeinigt sind“. Mutter Gründerin vertieft die Spur des Gemeinsamen und führt sie konkret aus. „Die Vereinigung ist desto notwendiger, je schwieriger der Beruf ist … [erfordert} dass die Lehrerinnen m i t e i n a n d e r in einem durch die Religion geheiligten und befestigten Schwesternbunde stehen, damit sie gegenseitig sich unterstützen, aufmuntern, trösten und im Falle der Erkrankung, sowie im höheren Alter liebreiche Pflege und Versorgung erwarten können.“
Im Beruf als Lehrerin habe ich unzählige Male erfahren, wie wichtig es ist, von einer Gemeinschaft getragen, ja auch gehalten zu sein. Die vom Staat gesetzten Impulse zur Kooperation, zum fächerübergreifenden Unterricht im Blick auf Bildung sind für mich somit schon immer durch die Gründerin klar gewesen oder hätten es zumindest sein sollen. Das tragfähige Netz einer Gemeinschaft kommt nur zustande, wenn jede an ihrem Platz ihren Beitrag leistet. Obwohl ich weiß, dass zwischen Ideal und Wirklichkeit sich ein Abgrund auftun kann und bei mir sich manchmal auch auftut, will ich das Netz der Gemeinschaft täglich neu knüpfen, auf den Spuren der Gründerin weitergehen.